BVerfG sieht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
Der Zweite Senat des BVerfG hat mit einer Mehrheit von 5 zu 3 Stimmen entschieden, dass die Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen sind weiterhin grundsätzlich abziehbar
Der allgemeine Gleichheitssatz verlange nach Auffassung des BVerfG vom Einkommensteuergesetzgeber eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete hinreichend folgerichtige Ausgestaltung seiner Belastungsentscheidungen. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemesse sich unter anderem nach dem objektiven Nettoprinzip. Danach seien betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage abziehbar. Benachteiligende Ausnahmen von dieser Belastungsgrundentscheidung des Einkommensteuergesetzgebers bedürften eines besonderen sachlichen Grundes, um den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu genügen.
Fiskalische Gründe können eingeschränkte Abziehbarkeit nicht rechtfertigen
Daran fehle es hier, so die Richter. Die im Gesetzgebungsverfahren angeführten fiskalischen bzw. haushaltspolitischen Gründe seien nicht geeignet, die Neuregelung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen. Das Ziel der Einnahmenvermehrung stelle keinen hinreichenden sachlichen Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Ausgestaltung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen dar, denn dem Ziel der Einnahmenvermehrung diene jede, auch eine willkürliche steuerliche Mehrbelastung.
Vorgenommene Typisierung nicht realitätsgerecht
Darüber hinaus verfehle die Neuregelung das Gebot einer hinreichend realitätsgerechten Typisierung, soweit Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auch dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Der Mangel eines alternativen Arbeitsplatzes, der sich durch die Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers ohne weiteres nachweisen lasse, liefere schließlich eine leicht nachprüfbare Tatsachenbasis für die Feststellung der tatsächlich betrieblichen oder beruflichen Nutzung und damit die Möglichkeit einer typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und Privatsphäre. Dagegen sei die Ermittlung und Bestimmung der nach der Neuregelung vom Abzugsverbot ausgenommenen Kosten eines Arbeitszimmers, das den „qualitativen Mittelpunkt“ der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit bilde, offenkundig aufwändig und äußerst streitanfällig.