Sozialversicherungsrecht

Sozialversicherungsrecht / Steuerrecht

Die sozial- und steuerrechtliche Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen im Be­reich der Kirchenmusik ist bei Anstellungsverhältnissen regelmäßig unproblema­tisch.

Angestellte Kir­chenmusiker – ganz gleich ob im sog. Haupt- oder Nebenamt – stehen in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver­hältnis zu ihrer Kirchengemeinde oder dem Kirchenkreis als Arbeitgeber.

 

Problematischer gestaltet sich die Situation dagegen im Bereich der vertretungs­weise ausge­führten Dienste. Vielfältig sind die Beschäftigungskonstrukte, die von Teilzeitbeschäftigung bis hin zur überwiegend rechtswid­rigen „Arbeit ge­gen Rech­nung“ im Rahmen einer angebli­chen freiberuflichen Tä­tigkeit reichen. Dies wirft zahlreiche Fragen hinsichtlich der sozialver­sicherungs- und steuerrechtlichen Be­handlung kirchenmusikalischer Erwerbstätigkeit auf.


 


Allgemeines


Grundlage für jede kirchenmusikalische Tätigkeit ist der Begriff der Beschäftigung im Sinne des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV): Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV die „nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhalts­punkte für eine Be­schäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliede­rung in die Arbeitsorganisa­tion des Weisungsgebers.“

 

Voraussetzung ist demzufolge eine Arbeit, die als „nicht selbständig“ einzustufen ist. Selb­ständig hingegen ist nach § 84 Abs. 1 S. 2 Handelsgesetzbuch (HGB), wer im We­sentlichen frei seine Tätigkeiten gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

 

Dar­über hinaus trägt der Selbständige auch ein eigenes erhebliches Unternehmer­risiko, dem auf der anderen Seite größere Unternehmenschancen als bei einer abhängigen Beschäftigung gegenüberstehen.

Beschäftigter ist außerdem, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Per­sönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterord­nung unter das Weisungs­recht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeits­leistung. Die Wei­sungsgebundenheit ist typisches Merkmal der abhängigen und nicht selbständigen Arbeit.

 

Entscheidend ist für die Beurteilung das Gesamtbild der Tätigkeit nach Maßgabe der den Ein­zelfall bestimmenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse. In den Fällen, in denen die rechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses den tat­sächlichen Verhältnissen wider­spricht, ist nach Maßgabe des Bundessozialgerichts allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.


 


Organistenvertretungen

 

Die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte haben sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Thematik beschäftigt und kamen zu dem Ergebnis, dass Perso­nen, die stunden- oder vertretungsweise und dabei wiederkehrend in Kirchenge­meinden kir­chenmusikalische Dienste versehen, als abhängig Beschäftigte einzu­stufen sind. Dies gilt auch für den Fall, wenn die ausgeübte Tätigkeit nur gelegent­lich erfolgt oder stunden­weise bzw. von kurzer Dauer ist, z.B. bei Organistenver­tretungen.

 

Begründet wird diese Auffassung mit der regelmäßigen Vorgabe der unterschiedli­chen Ver­tragsinhalte wie beispielsweise Tag und Uhrzeit des Dienstes, die Beglei­tung der vorgegebe­nen Lieder etc. durch den Auftraggeber sowie der organisatori­schen und persönlichen Ein­gliederung in dessen Organisationsbetrieb. Die Tatsa­che, dass Vertre­tungskräfte die Möglich­keit haben, einzelne Aufträge abzulehnen, ist hierbei unerheb­lich.

 

Außerdem werden die kirchenmusikalischen Dienste in den Räumlichkeiten der Kir­chenge­meinde ausgeübt. Als Arbeitsmittel wird das im Eigentum der Kirchenge­meinde stehende In­ventar (Orgel, Klavier, Notenmaterial etc.) genutzt.

Deshalb liegt nach Auffassung der Rechtsprechung ein abhängiges und auch wei­sungs­ge­bundenes Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV vor.

Bei seinem Einsatz im Gottesdienst ist der Organist nach Auffassung der Recht­sprechung den Vorgaben der Gottes­dienstordnung unterworfen, die eine Vorgabe der Kirchengemeinde dar­stellt.

 

Nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) sind Organisten also - ganz gleich, ob ein Anstellungsverhältnis vorliegt oder Vertretungsdienste versehen werden - als ab­hängig Beschäftigte einzustufen. Zu beurteilen ist die einzelne Tä­tigkeit bei einem Got­tesdienst oder einem anderen kirchenmusikalischen Dienst.

 

Die Einnahmen aus der Tätigkeit fallen unter § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) - sog. „Übungsleiterfreibetrag“ oder „Übungsleiterpauschale“. Wer insge­samt unter dem Betrag von derzeit 3.000,00 EUR pro Jahr bleibt, erhält kein sozial­versiche­rungsrechtlich relevantes Arbeitseinkommen. Es sind daher keine Beiträge zu zahlen. Der Übungsleiterfreibetrag kann überdies auch im Rahmen eines „nebenamtlichen“ kirchenmusikalischen Anstellungsverhält­nisses in Anspruch genommen werden, wenn diese Tätigkeit nicht den Hauptberuf darstellt.

Diese Regelung greift jedoch nur dann, wenn der Ausübende diese Tätigkeit neben­beruflich ausübt. Gemäß R 3.26 Lohnsteuerrichtlinien zu § 3 Nr. 26 EStG wird eine Tä­tigkeit dann ne­benberuflich ausgeübt, wenn sie - bezogen auf das Kalen­derjahr - nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiter­werbs in Anspruch nimmt. Es können des­halb auch solche Personen nebenberuf­lich tätig sein, die im steuerrechtlichen Sinne keinen Hauptberuf ausüben, z. B. Hausfrauen, Studenten, Rent­ner oder Arbeitslose. Übt ein Steuer­pflichtiger meh­rere verschiedenartige Tätigkeiten im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG aus, ist die Neben­beruflichkeit für jede Tätigkeit getrennt zu beurteilen. Mehrere gleichartige Tätig­keiten sind zusammenzufassen, wenn sie sich nach der Verkehrsanschauung als Ausübung eines ein­heitlichen Hauptberufs darstellen. Eine Tätigkeit wird nicht nebenberuflich aus­geübt, wenn sie als Teil der Haupttätigkeit anzusehen ist.

 

Kirchenmusiker, die „hauptberuflich“ tätig sind bzw. ausschließlich den Kirchenmu­siker­beruf ausüben und mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines Vollzeiterwerbes tätig sind, können den Übungsleiter­freibetrag daher nicht in Anspruch neh­men.




Chorleiter

 

Während Chorleiter eine Zeit lang eher als selbständige Personen angesehen wur­den, wird heute davon ausgegangen, dass zumindest Chorleiter, die im kirchlichen Bereich beschäftigt sind, als abhängig Beschäftigte einzustufen sind, weil sie ebenfalls wei­sungsgebunden tätig sind. Eine Weisungsgebundenheit besteht z.B. hinsichtlich des Probentermins, der Gestaltung bestimmter Gottesdienste, der haushaltsplanerischen Berücksichtigung im Rahmen des Ge­samthaushalts des Anstellungsträgers, des regel­mäßigen monatlichen Entgelts etc.

 

Damit sind auch Chorleiter von kirchlichen Chorgruppen und Ensembles abhängig Beschäf­tigte im Sinne des Gesetzes.

 


 

Rechtsfolge

 

Konsequenz der genannten Entscheidungen ist, dass vertretungsweise ausge­übte kirchen­musikalische Dienste nicht auf Honorarbasis abgerechnet werden dürfen. Vielmehr un­terliegen die Vergütungen der Steuer- und Abgabenpflicht. Zur Einbe­haltung und Abführung der Abgaben ist der Arbeitgeber verpflichtet.

Die Anstellungsträger sind allerdings auch verpflichtet zu prüfen, ob und inwieweit der zu­stehende Freibetrag bereits ausgeschöpft wurde.

 

Nach Auffassung des LSG stellt die vertretungsweise ausgeübte Kirchenmusikertä­tig­keit pro einzelnen Gottesdienst bzw. einzelne Probe etc. eine kurzfristige Be­schäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV dar.

 

Das bedeutet: Wenn der Freibetrag in Höhe von 3.000,00 EUR pro Jahr überschrit­ten wird, entstehen zwar Meldepflichten der Kirchengemeinde, Sozialversiche­rungsbeiträge sind je­doch bis zu einem weiteren Betrag von 450,00 EUR monatlich bzw. 5.400,00 EUR jährlich nicht zu zahlen. Insgesamt können daher 7.800,00 EUR im Jahr verdient werden, ohne dass Beiträge zu zahlen sind.

 

Eine Honorarzahlung ist allein dann zulässig, wenn eine Einzelfall-Vertretung vor­liegt, d.h. wenn die Vertretung durch die konkrete Person auf einen längeren Zeit­raum einen Einzelfall darstellt und in diesem Sinne auch dokumentiert werden kann.

 

Selbstverständlich bleiben Konzerthonorare von den Regelungen ausgenommen, so­fern das Durchführen von Konzerten durch den angestellten Kirchenmusiker nicht ar­beitsvertraglich geschuldet wird.


Zu der Thematik der sozialrechtlichen Stellung von Organisten ist ein entsprechendes Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ( -> L 11 KR 4041/03) lesenswert.


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